7

 

Es war kein Witz gewesen, als Dr. Kostich gemeint hatte, eine volle Explosion hätte Gabriels Haus in die Luft jagen können.

»Er hat sie jedoch unterschätzt«, sagte ich zu Cyrene, als wir etwa elf Stunden später in einem Streifenwagen saßen. »Sie hat auch die Häuser rechts und links beschädigt. Hoffentlich finden sie die zwei Katzen der alten Dame nebenan wieder.«

»Und ihren Fisch!« Cyrene zog die Decke enger um sich, die ihre nackte Haut vor neugierigen Blicken schützte. »Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen wegen dem Fisch. Was hat Baltic sich bloß dabei gedacht, uns so in die Luft zu jagen? Er wusste doch, dass uns das nicht umbringt!«

»Nein, aber wir sind jetzt verletzlich«, sagte ich leise, als eine Polizistin vorbeilief. »Wir haben jetzt keine Festung mehr, um ihn in Schach zu halten, und das weiß er. Wir müssen entweder ins Hotel gehen oder ein anderes Haus finden. Aber selbst das würde uns gegen Baltic nichts nützen, jedenfalls nicht, bis wir genügend Alarmanlagen installiert haben.«

»Ich weiß ein Haus, in dem wir sicher vor Baltic sind«, sagte Cy und gähnte.

»Wirklich? Wo?«

»Dieser nette Drake. Er würde uns aufnehmen, wenn du nur lieb genug darum bittest.«

Ich öffnete meinen Mund, um zu protestieren, aber es kam kein Ton heraus. Und warum sollte ich auch protestieren? Bei näherem Nachdenken wurde mir klar, wie sicher Drakes Haus vor unerwünschten Eindringlingen war. Und falls es Baltic doch irgendwie gelingen sollte, hereinzukommen, konnten uns die grünen Drachen unterstützen.

»Herzlichen Glückwunsch, Cy«, sagte ich und zog mein Handy heraus, um Gabriel erneut anzurufen. »Das war deine erste gute Idee. Ich bin so stolz auf dich, ich könnte heulen!«

»Das hast du das letzte Mal, als ich eine gute Idee hatte, auch gesagt«, meinte sie.

»Das war 1922. Du solltest vielleicht dein Tempo mal herunterschrauben, um dein Gehirn nicht zu überanstrengen«, sagte ich mit todernstem Gesicht. Aber es war tatsächlich eine gute Idee, auch wenn Gabriel ein wenig besorgt klang. »Drake wird nicht zulassen, dass euch etwas passiert, aber ich will auch nicht, dass du zu lange unter seinem Dach lebst.«

»Hast du etwa Angst, ich könnte seinem Charme erliegen?«, neckte ich ihn.

»Nicht im Geringsten. Aisling würde dich zur Schnecke machen, wenn sie das Gefühl hätte, du könntest auch nur das leiseste Interesse an ihm zeigen. Nein, ich mache mir eher Gedanken, wie das Stück Drachenherz auf ihn reagiert. Sie sind zwar nicht von unserer Sippe, aber das Stück Drachenherz erkennt diese Tatsache vielleicht nicht und zwingt dich, auf eine Art zu reagieren, die ... äh ...«

»Ungehörig ist?«

»Unpassend«, sagte er. »Und um deine erste Frage zu beantworten: Nein, wir haben Fiat nicht gefunden, obwohl ich glaube, seine Spur ist frisch. Ich hoffe, dass wir ihn bis morgen früh haben.«

»Du fehlst mir«, sagte ich und blickte mich um, um sicherzustellen, dass mich niemand belauschte. »Du fehlst mir sehr.«

»Du mir auch, Vögelchen. Aber jetzt muss ich auflegen. Um Zeit zu sparen, nehmen wir Portale zu unserem Zielort, und du weißt ja, wie sie mich immer mitnehmen.«

»Bon voyage«, sagte ich lächelnd. »Wünsch mir Glück mit der Polizei. Bis jetzt glauben sie die Geschichte mit dem unerklärlichen Bombenanschlag, allerdings hat das viel damit zu tun, dass Cyrene völlig hysterisch von einem gewalttätigen, extremistischen Freund erzählt hat.«

»Ich hätte Schauspielerin werden sollen«, warf Cyrene selbstgefällig ein. »Ich bin echt gut.«

Es dauerte noch zweieinhalb Stunden, bevor die Polizei und der Notarzt uns endlich gehen ließen. Als ich die Trümmer von Gabriels gemietetem Haus betrachtete, wunderte es mich nicht, dass die Polizei kaum glauben konnte, dass wir alle den Anschlag unbeschadet überstanden hatten. Die anderen silbernen Drachen, die bei Baltics mitternächtlichem Angriff zugegen gewesen waren, hatten auf meinen Rat hin das Haus verlassen - ich konnte die Dinge besser erklären, wenn sich nicht zu viele Personen im Haus befanden.

»Jim, du kannst sprechen, aber wenn du auch nur ein einziges Mal eine blöde Bemerkung von dir gibst, werde ich etwas sehr Unangenehmes mit dir machen.«

»Wie zum Beispiel mir einen Stuhl an den Kopf schleudern?«, erwiderte er. »Oder wie wäre es damit, dass ich die Hälfte meiner Haare auf dem Kopf verloren habe? Oder dass alle Haare an meinen Lefzen ausgefallen sind? Oh, jetzt habe ich es - wie wäre es mit der Tatsache, dass ich beinahe in winzige Einzelteile zerfetzt worden wäre, kaum dass ich mich zwei Stunden bei dir aufgehalten habe?«

Ich hob einen Finger. »Noch was?«

»Nein. Es lohnt sich nicht, dafür verbannt zu werden. Mein prachtvoller Pelz wird nachwachsen, auch wenn ich bis dahin wie ein Leprakranker aussehen werde.«

»Das mit deinen Haaren tut mir leid. Und du siehst nicht aus wie ein Leprakranker«, sagte ich. »Ich habe dir ja gesagt, dass ich so bald wie möglich mit dir in den Hundesalon gehe. Ich schulde dir schließlich was, nachdem du die beiden Katzen von der alten Dame nebenan gefunden hast.«

»Ach, das war doch keine große Sache. Sie waren sowieso zu mager, höchstens was für den hohlen Zahn.«

»Mrs Patterson war überglücklich, dass du sie gefunden hast, und das zählt schwer zu deinen Gunsten«, sagte ich und tätschelte die unversehrte Seite seines Kopfes. »Aber treib es nicht zu weit. Es war ein langer Tag für uns alle.«

»Ja.« Jim sackte einen Moment lang zusammen, aber sofort hellte sich seine Miene wieder auf. »Ich kann es kaum erwarten zu sehen, was Drake für ein Gesicht macht, wenn wir alle anmarschiert kommen und ihm erklären, dass Baltic dein Haus in die Luft gejagt hat. Er bekommt einen Anfall!«

»Ich wünschte nur, wir würden Magoth finden«, antwortete ich. Um den Dämonenfürsten machte ich mir mehr Sorgen als wegen Drake. »Wo mag er nur sein? Er kann ja nicht verletzt gewesen sein, oder? Theoretisch ist er ja kein Dämonenlord mehr. Eigentlich ist er gar nichts.«

»Nur unsterblich«, stimmte Jim mir zu. »Wenn du seinen übel zugerichteten Kopf nicht gefunden hast, dann hält er sich schon irgendwo auf. Er hat wahrscheinlich die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und sich aus dem Staub gemacht.«

Ich weiß nicht, wie die meisten Leute reagieren würden, wenn eine kleine Armee von Drachen bei ihnen vor der Tür stünde, aber Drake machte es überhaupt nichts aus ... bis Aisling schwerfällig die Treppe herunterkam, um nachzusehen, was los war.

»Abgesehen von der Tatsache, dass Jims Fell - was davon noch übrig ist - qualmt, scheint Cyrene unter der Decke nackt zu sein. Maata geht gebeugt, und May hat auch nichts an, außer eines von Gabriels Hemden. Bei den Silberdrachen muss wohl irgendwas passiert sein.«

»Baltic hat uns ausgebombt«, sagte ich und blickte zu Drake. Als er uns an der Tür gegenüberstand, hatte er uns einfach ins Haus gebeten und noch nicht einmal gefragt, was passiert war. »Wenn ihr hier keinen Platz für uns habt, können wir ins Hotel gehen.«

»Sei nicht albern«, erwiderte Aisling. »Wir haben reichlich Platz. Lass mal überlegen. Ich gebe dir den ... nein, den Raum beansprucht Catalina. Wie wäre es mit ... oh, warte, René ist ja da. Du kannst das Gelbe Zimmer haben; es hat einen schönen Blick auf den Fluss. Und Cyrene kann ... hmm.«

»Ich mag Flüsse«, erklärte Cyrene gähnend. »Das Gelbe Zimmer ist in Ordnung für mich.«

»Nein, warte mal«, sagte ich und hielt meinen Zwilling fest, die schon die Treppe hinauflaufen wollte. »Es ist nett von dir, dass du uns alle unterbringen willst - mir fällt wirklich kein sichererer Ort ein -, aber wenn du nicht genug Platz hast, kann Cyrene in ihre Wohnung gehen. Schließlich hat sie eine in der Stadt.«

»Du auch!«, entgegnete sie.

»Nein, nicht mehr. Ich habe sie vor ein paar Wochen aufgegeben.«

»Du kannst doch nicht von mir erwarten, dass ich alleine in meine Wohnung gehe! Ganz alleine?«, kreischte sie. »Ich bin emotional durcheinander! Ich bin ein Wrack! Ich sollte jetzt besser nicht alleine sein - das weiß doch jeder!«

»Du hast dich von deinem Freund getrennt, was du in den letzten tausend Jahren mehrere hundert Mal getan hast, also wirst du ja dieses Mal wohl auch damit fertig werden«, erwiderte ich.

Sie warf mir einen finsteren Blick zu. »Du hast kein Herz, Mayling.«

»Ich habe ein Herz. Ich habe aber auch eine Vorstellung davon, wie viele Personen Aisling unter ihrem Dach beherbergt, und ich bin sicher, das Haus ist überfüllt.«

Cyrene warf Aisling einen kläglichen Blick zu. Ihre Unterlippe bebte. »Aisling?«

»Ja, es ist ein bisschen eng im Moment«, sagte Aisling.

Cyrene schniefte und gab ihr Äußerstes, um kläglich und zerbrechlich auszusehen. »Gut, dann gehe ich eben in meine kalte, dunkle, einsame, leere Wohnung und denke kalte, dunkle, einsame Gedanken.«

»Beim zweiten Mal hast du ›leer‹ vergessen«, warf Jim ein.

Sie trat ihm auf die Zehen.

»Aua! Du darfst mir nicht wehtun! Das darf nur Aisling! Oder auch May, wenn sie es wollte, aber May ist offensichtlich nicht der böse Zwilling und würde so etwas Grausames und Schändliches niemals tun.«

Ich kniff ihm ins Ohr.

»Bis Aisling endlich das Baby hat, werde ich grün und blau sein«, grummelte Jim und setzte sich neben Aisling.

»Da ist noch der Speicher«, sagte Aisling langsam. »Die Räume dort oben sind doch bewohnbar, oder, Drake?«

»Ja, aber sie sind seit dem Ersten Weltkrieg nicht mehr hergerichtet worden«, antwortete er.

»Das macht mir nichts aus.« Cyrene riss flehend die Augen auf. »Ich will nur nicht allein sein.«

Aisling lächelte. »Wir kriegen dich schon unter. Es gibt vier Speicherräume, also genug für Cyrene, Maata und die beiden Bodyguards.«

»Weißt du, ich sollte eigentlich das Gelbe Zimmer nehmen«, sagte Cyrene, als wir durch die Diele marschierten. »Es hat Blick auf den Fluss, und als Najade bin ich für das Zimmer am besten geeignet. Findest du nicht auch?«

Ich fand das nicht und sagte es ihr auch, sehr zu ihrer Irritation. Aber trotzdem dauerte es nicht lange, bis wir alle in unseren jeweiligen Zimmern untergebracht waren. Drake ließ es nicht zu, dass Aisling mir mehr brachte als eine neue Zahnbürste, zwei Handtücher und ein Stück Seife. »Du humpelst«, stellte sie fest. »Bist du bei der Explosion verletzt worden?«

»Nein, das ist ein Souvenir von Baltics erstem Angriff. Maata hat sich um die Wunde gekümmert, aber sie tut trotzdem noch ein bisschen weh.«

»Ich könnte einen Heiler der grünen Drachen kommen lassen ...« Aisling wies zum Telefon.

Ich wehrte ab. »Das ist nicht nötig. Mir geht es gut.«

»Na gut, aber wenn du deine Meinung änderst, sag uns Bescheid. Es tut mir leid, dass du und Cyrene euch ein Badezimmer mit Nora und René teilen müsst«, entschuldigte sich Aisling. Ich setzte mich auf die Bettkante, und sie ließ sich in einen Lehnsessel sinken, der mit rotgoldenem Brokat bezogen war. »Ich würde Catalina nur zu gerne loswerden, und dann könntest du das Zimmer haben, das du normalerweise mit Gabriel bewohnst, wenn ihr hier seid, aber ich fürchte, Catalina wird man nur mit einer Atombombe los.« Aisling stieß einen schweren Seufzer aus. »Es freut mich so für dich, dass deine Schwiegermutter so nett ist. Ich würde dir ja vorschlagen zu tauschen, aber Catalina kann man wirklich keinem zumuten.«

»Ich fand sie eigentlich nicht so schlimm«, erwiderte ich lächelnd. »Ja klar, sie ist ein bisschen heftig und weigert sich auch, mir zu glauben, dass ich völlig bei Verstand bin, aber so sind manche Leute eben. Und hör auf, dich für die Unterbringung zu entschuldigen - wir sind dir unendlich dankbar, dass du uns überhaupt aufnimmst.«

»Ich will alles über dich und Baltic hören«, sagte Aisling und blickte zur offenen Tür. »Aber Drake wird gleich kommen, also werde ich bis morgen früh warten müssen.«

»Ich möchte auch noch über etwas anderes mit dir sprechen, vielmehr mit Nora und dir.« Ich berichtete ihr rasch von den Ereignissen bei Bael.

»Ach, du lieber Himmel!«, sagte sie, als ich geendet hatte. Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete sie mich. »Die Macht eines Dämonenlords, aber kein Dämonenlord. Du bist nicht geächtet, also gehe ich davon aus, dass du die dunkle Macht nicht angewendet hast?«

»Ich weiß gar nicht, was das ist, also wahrscheinlich nicht.«

»Du wüsstest es, wenn du sie benutzen würdest. Hast du versucht, einen kleinen Teil anzuwenden?«

»Nein, und das habe ich auch nicht vor. Es reicht mir schon, dass mich das Stück Drachenherz in Besitz genommen hat.«

»Dann liegt es wahrscheinlich daran, dass die dunkle Macht mit dir nicht so umspringen kann, wie sie es mit mir getan hat«, überlegte Aisling laut und rieb ihren dicken Bauch. »Sie hat mich fast wahnsinnig gemacht, aber du hast dieses Stück Drachenherz in dir, und jeder weiß, dass Drachen nicht so leicht beeinflusst werden können. Also, in gewisser Weise ist es ein Glück, dass du das Stück Drachenherz hast.«

Darauf erwiderte ich nichts. »Ich möchte gerne wissen, was ich an dieser Situation ändern kann. Ich hatte gehofft, Nora und du könntet mir einen Rat geben.«

»Absolut«, erwiderte Aisling rasch. »Nora wird dir gerne helfen, und ich auch. Jim, was zum Teufel hast du da auf dem Kopf?«

Jim marschierte gerade an der offenen Tür vorbei. Lange schwarze Haarsträhnen hingen von seinem Kopf. »Eine Perücke. Ich habe sie auf dem Speicher gefunden. Man muss sie ein bisschen frisieren, aber bis mein Fell nachgewachsen ist, tut sie es.«

»Ach, du liebe Güte ...«

»Soll ich ihn für dich verbannen?«, fragte ich.

»May!« Jim blickte mich empört unter der Perücke her an. »Das würdest du wirklich tun, was?«

»Es ist verführerisch, aber noch nicht.« Aisling machte einen nachdenklichen Eindruck. »Aber wenn er zu frech wird, kannst du ihm befehlen, seine Zeit mit Catalina zu verbringen.«

»Da würde ich noch lieber verbannt«, grummelte der Dämon.

»Morgen früh sprechen wir über dein Problem, ja? Schlaf gut. Jim ...« Sie warf Jim einen hilflosen Blick zu, schüttelte den Kopf und murmelte vor sich hin, als sie das Zimmer verließ.

»Hey«, sagte Jim und drehte den Kopf hin und her, dass die langen Haare ihm ums Gesicht flogen. »Meinst du, Gabe würde mir Dreadlocks machen?«

Ich sank auf dem Bett zusammen. Die Ereignisse des Tages hatten mich emotional erschöpft. »Geh schlafen, Jim. Und bitte belästige niemanden, vor allem nicht Aisling.«

»Ich glaube, das stünde mir gut.« Jim drehte weiter seinen Kopf. »Wenn es bei Gabriel funktioniert, könnte es schließlich auch bei mir ...«

Ich schlug ihm die Tür vor der Nase zu und krabbelte erschöpft ins Bett. Gabriel fehlte mir. Seit meiner Rückkehr aus Abaddon waren wir nicht mehr getrennt gewesen, und es erstaunte mich, wie leicht wir uns einander angepasst hatten. Ich fühlte mich wohl in seiner Nähe, mehr als wohl. Es fühlte sich richtig an. Und wenn er nicht bei mir war, hatte ich das Gefühl, in den Schatten zu gehen.

»Wieso guckst du so nachdenklich?«

Ich zuckte erschrocken zusammen. »Cy, du hast mich beinahe zu Tode erschreckt.«

»Du kannst nicht sterben«, erklärte mein Zwilling und schloss die Tür hinter sich. »Und sieh mich bloß nicht so an - ich habe geklopft, aber du hast nicht geantwortet. Und da habe ich in Zimmer gespäht, um zu sehen, ob du schon schläfst und das Licht angelassen hast. Geht es dir gut? Du hast so einen seltsamen Gesichtsausdruck. Wie viel vom Fluss kannst du denn sehen? Oh, nicht besonders viel. Na gut.«

Unentschlossenheit stieg in mir auf. Normalerweise war ich eine sehr entschlossene Person, machte Pläne und befolgte sie. Aber jetzt überfluteten mich seltsame Gefühle, und das forderte so langsam seinen Preis.

»Mayling, ich bin es nur. Du kannst mir alles erzählen, was dich bekümmert.« Cy ließ sich ans Fußende des Bettes plumpsen und tätschelte meine Füße. »Na los. Ich kann doch sehen, dass du reden willst.«

Ich öffnete den Mund, um ihr zu sagen, dass alles in Ordnung war, aber stattdessen sagte ich: »Es geht um Gabriel. Ich mache mir Sorgen.«

»Weil Chuan Ren ihm etwas tun könnte?«

»Nein, ich weiß ja, dass er auf sich aufpassen kann. Nein, es geht um das, was Gabriel mir bedeutet«, sagte ich kläglich. Es fiel mir schwer, meine Sorgen mit meinem nicht so besonders sensiblen Zwilling zu teilen.

»Du liebst ihn.«

»Ja. Und er liebt mich. Um die Liebe geht es nicht.«

»Um was denn dann? Oh!« Sie riss ihre Augen auf, die meinen so ähnlich waren. »Dir gefällt nicht, dass du ihn liebst.«

»Wie lächerlich«, erwiderte ich gereizt. »Warum sollte ich den Mann, der mich liebt, nicht lieben wollen?«

»Weil es bedeutet, dass du nicht mehr nur für dich alleine verantwortlich bist. Du bist an ihn gebunden, und nichts wird wieder so sein wie zuvor. Ihr lebt jetzt seit fast zwei Monaten zusammen ... ja, genau. Der erste Tau ist weg, und dir wird auf einmal klar, worum es in Beziehungen geht.«

Ich starrte sie überrascht an. »Woher weißt du diese Dinge? Du hattest doch nie eine Beziehung, die länger als ein paar Wochen gedauert hat.«

»Ich bin mit Kostya fast so lange zusammen wie du mit Gabriel«, erwiderte sie. »Länger, wenn du die Zeit dazu rechnest, die wir miteinander verbracht haben, als du in Abaddon warst.«

»Muss ich dich daran erinnern, dass du dich heute offiziell von Kostya getrennt hast?«

Sie warf mir einen giftigen Blick zu. »Nein, das brauchst du nicht. Bis zu dem Augenblick, als er mich grausam und grundlos verstoßen hat, damit er sich als großer Wyvern aufspielen konnte, waren wir ein sehr erfolgreiches Paar. Also erzähl mir nicht, ich verstünde nichts von Beziehungen, weil es nicht stimmt. Ich hatte schon genügend Beziehungen, um das eine oder andere zu lernen.«

Ich musste zugeben, dass sie meine Sorgen irgendwie auf den Punkt brachte. »Ich bedauere nicht, Gabriel zu lieben. Das heiße ich willkommen, ich heiße ihn in meinem Leben willkommen. Was mir Sorgen bereitet, ist, dass er mein Leben wird.«

»Du meinst, dass er es dominiert? Also, ich finde, dominant ist eher Drake.«

»Nein, nicht dominant.« Ich suchte einen Moment lang nach den richtigen Worten. »Er ist alles für mich, Cy. Nicht nur dieser ganze romantische Kram wie Mond und Sterne und so etwas - nein, ich meine, wenn er nicht bei mir ist, ist das Leben nicht richtig, nicht ganz real.«

»Und das macht dir Sorgen?« Sie lächelte. »Für mich klingt das nach wahrer Liebe.«

»Ich habe dir ja gesagt, dass es nicht um die Liebe geht. Damit habe ich keine Probleme.«

»Du hast also Angst, dass das Leben nicht funkelt, wenn er nicht bei dir ist, dass du ... dass du zu abhängig von ihm wirst?«

»Nein. Ich weiß ja, dass er mich genauso braucht wie ich ihn. Das Problem ist...« Ich wollte die Worte nicht laut aussprechen.

»Was?«

Ich biss mir auf die Unterlippe.

»Mayling, ich bin dein Zwilling. Ich will dir helfen, wenn ich kann, und wir wissen doch beide, dass ich nie Gelegenheit dazu habe, weil du ständig mir helfen musst. Aber ich kenne die Männer, und ich verstehe etwas von Beziehungen, und bei Neptun, ich werde dir helfen! Und jetzt sag mir, was das Problem ist, damit ich dir versichern kann, dass es halb so schlimm ist. Und danach gehe ich in die Badewanne.«

Ich lachte über ihr entschlossenes Gesicht. »Ich versuche nicht, dich vom Baden abzuhalten, das kann ich dir versichern. Aber es hört sich dumm an.«

»Ich bin von Kopf bis Fuß dumm«, erwiderte sie ernsthaft. »Also sag es schon.«

Ich blickte auf meine Hände. Meine Finger sahen stark und zuverlässig aus wie immer. Aber ich wusste, wie schnell sie sich in Klauen verwandeln konnten, mit scharfen, dunkelroten Krallen. »Wenn nun das Stück Drachenherz mich nur so empfinden lässt?«

»Hältst du das für möglich?«, fragte sie und überlegte.

»Ich weiß nicht. Aber wenn es so ist, folgt daraus, dass auch Gabriel auf das Stück Drachenherz reagiert. Er hat mir einmal erzählt, dass er früher nur mit weiblichen Drachen zusammen war. Ich war sein erster Mensch. Wenn wir uns lieben, möchte er mich am liebsten nur in Drachengestalt haben, Cy. Nein, es steckt sogar noch mehr dahinter - ich glaube, er hat mich am liebsten in Drachengestalt.«

»Nun ... er ist ein Drache«, erwiderte Cyrene.

»Ich weiß, aber ...« Ich wünschte, ich hätte nie etwas gesagt, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. »Wenn es nun das Stück Drachenherz ist, das er liebt? Oh, das klingt so albern - ich weiß, ich sollte so etwas noch nicht einmal denken. Ich weiß ja, dass er mich liebt. Er hat mich ja auch schon vor dem Drachenherz geliebt. Aber ... ach, vergiss es. Es ist einfach zu idiotisch.« Ich schlug mir die Hände vors Gesicht. Am liebsten wäre ich in die Schatten gegangen und hätte mich eine Zeitlang vor der Welt versteckt.

Cyrene überraschte mich erneut, indem sie über meine Sorgen nicht leichtfertig hinwegging. »Ich glaube, ich weiß, was du meinst«, sagte sie, nachdem sie eine Weile überlegt hatte. »Du hast Angst, dass er dich jetzt wegen dem Stück Drachenherz mehr liebt. Aber tut er das wirklich?«

»Ja«, sagte ich sofort. Ich hatte auf einmal das Bedürfnis, es Cyrene verständlich zu machen. »Als ich Gabriel kennen lernte, waren wir ... na ja, wir fühlten uns augenblicklich zueinander hingezogen. Zum Teil lag das an der biologischen Tatsache, dass ich seine Gefährtin war, aber es gab auch etwas, das darüber hinausging. Wir passten einfach gut zusammen, wenn du so willst. Und sexuell ...« Ich lächelte schief.

»Ich weiß. Man brennt nicht einfach so ein Hotel nieder, wenn es beim Sex nicht wirklich gut ist.« Cyrene grinste und tätschelte mir wieder den Fuß. »Ich muss zugeben, dass ich mir im Anfang Sorgen um dich gemacht habe, Mayling. Du warst noch nie mit einem Mann zusammen gewesen, und ich fand, dir fehlte die Erfahrung, dein Leben mit jemandem zu verbringen.«

»Ich verbringe es doch auch mit dir«, erwiderte ich.

»Aber wir sind kein Liebespaar. Jetzt reg dich nicht auf - ich habe ja schnell eingesehen, dass ihr gut miteinander klarkommt.«

»Ja, das stimmt. Und mittlerweile weiß ich auch, was es bedeutet, dass er ein Teil von mir ist. Ich weiß, wie er morgens ist, wenn er gerade aufgewacht ist - bis ich ihn küsse, ist er irgendwie mürrisch. Ich weiß, womit ich ihn zum Lachen bringe, und ich weiß, was ihn wütend macht.«

»Für mich klingt das völlig normal«, sagte Cyrene.

»Das ist es auch. Und doch ... bevor das Phylakterion explodierte, hatte ich nicht einen solchen Einblick in ihn. Deshalb mache ich mir ja Sorgen, was wird, wenn das Stück Drachenherz wieder in einem nicht lebenden Gefäß aufbewahrt wird.«

Cy nickte verständnisvoll.

Ich blickte sie an. »Du willst mir aber jetzt nicht sagen, dass alles gut wird, auch wenn das Stück Drachenherz nicht mehr da ist?«

»Nein, natürlich nicht.« Sie blickte mich an. »Das werde ich nicht sagen, weil es möglicherweise stimmt, was du sagst.«

Mein Herz sank.

»Gabriel ist ein Drache. Du trägst ein Stück von einem Drachenherz in dir. Natürlich reagiert er darauf. Es wäre unmöglich für ihn, nicht darauf zu reagieren. Das wäre so, wie wenn ich einem ruhigen, schönen Teich den Rücken zuwenden würde.«

»Wenn du müsstest, könntest du das durchaus«, grummelte ich. Die Erkenntnis, dass sie die Wahrheit sagte, schmerzte.

»Nein, ich könnte es nicht.« Sie ergriff meine Hand und drückte sie, bis ich aufblickte. »Mayling, das ist vielleicht schwer für dich zu verstehen, weil du kein Wasserelement-Wesen bist. Aber Wasser ist nicht nur etwas, was mich interessiert - es ist mein Leben. Es beherrscht mich, es treibt mich an; der gesamte Fokus meines Seins richtet sich darauf. Wenn ich in der Nähe eines Flusses bin, muss ich ihn sehen, ihn berühren, ich muss in seiner Schönheit und Reinheit baden. Ich bin der Fluss, May. Verstehst du das? Er ist ebenso Teil von mir wie meine Arme, meine Beine, mein Gehirn. Und ich nehme an, so empfindet Gabriel bei dem Stück Drachenherz - es ist Teil des Herzens, das in allen Drachen schlägt. Es ist ein wesentlicher Bestandteil von ihm, so wie Wasser bei mir. Und du gehörst jetzt für ihn in dieser Gleichung dazu.«

»Solange ich das Stück Drachenherz in mir trage«, sagte ich düster.

Sie blickte mich einen Moment lang an und erhob sich dann. »Sicher machst du dir Sorgen, dass du dich an das Stück Drachenherz verlierst, aber ist dir jemals in den Sinn gekommen, dass auch das Gegenteil zutreffen könnte?«

»Hä?«

Sie ging zur Tür und ergriff das Handtuch, das sie auf die Kommode gelegt hatte. »Ich glaube schon, May, dass das Drachenherz dich verändert. Aber du veränderst es auch. Vielleicht wirst du so werden, wie es dir bestimmt ist. Und vielleicht veränderst du das Stück Drachenherz zu etwas ganz anderem.«

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